Heute möchte ich den Blick auf einen weiteren Treiber von Transformation lenken: Wachstum
Das klingt erstmal angenehm – wer und welche Organisation möchte nicht wachsen? Mit Wachstum verbinden viele in erster Linie Erfolg, mehr Ertrag und positive Motivation. Und das ist auch richtig – wenn am langen Ende die Transformation zum Wachstum auch erfolgreich war. Und nur weil Wachstum der Treiber der Veränderung ist, bedeutet es nicht, dass der Weg der Transformation einfach und gradlinig ist. Denn rapides Wachstum hat für Unternehmen ganz besondere Tücken.
Wer mal in einem Unternehmen gearbeitet hat, dass sich bereit machte für einen deutlichen Wachstumssprung kann sich schnell in einer sehr herausfordernden Situation wiederfinden. Hier ein Szenario, was ich in verschiedenen Varianten häufiger erlebt habe:
Um das strategische Ziel einer deutlichen Erhöhung von Marktanteilen erreichen, entscheidet sich die Unternehmensleitung die Preise für ihr Produkt deutlich zu senken und mit erhöhtem Marketingbudget nach außen zu treten. Die Gelegenheit ist günstig – ein großer Konkurrent schwächelt gerade.
Die Kundennachfrage geht deutlich nach oben und erhöht sich immer weiter im Wochentakt. Die Vertriebshändler erhöhen radikal ihre Bestellungen nach dem Produkt, weil sie nicht nur den aktuellen Bedarf decken wollen, sondern auch den antizipierten Bedarf für die nächsten Wochen.
Der Kundenservice und die Produktion werden überrascht von der gestiegenen Nachfrage und erhöhen erst die Arbeitstaktung, dann leistet man Überstunden und Wochenendschichten. Im nächsten Schritt bittet man andere Einheiten in der Organisation um Unterstützung.
Die temporär erhöhte Personalleistung mildert etwas das Problem, löst es aber nicht. Überstunden sind ein kurzfristiges Mittel, die Unternehmensleitung zielt aber auf eine langfristige, signifikante Erhöhung des Outputs.
Schnell wird klar, dass es zahlreiche Baustellen gibt: Die Prozesse sind komplex und umständlich, es gibt zu wenig Automatisierung, die Steuerung der Arbeit ist nicht kohärent, die Einstellung und Einarbeitung von neuen Mitarbeitenden dauert zu lange.
Es verdichtet sich die Erkenntnis im Unternehmen, dass das einzelne Drehen an einzelnen Stellschrauben nicht reichen wird, um den wachsenden Bedarf zu decken. Das Unternehmen ist dem radikalen Wachstum im wahrsten Sinne nicht „gewachsen“. Ein großer Sprung ist notwendig.
Ergo wird eine Transformation angegangen, um die Produktionsleistung auf ein neues Niveau zu heben – eine langfristige Aufgabe bei gleichzeitiger Notwendigkeit sich kurzfristig weiter über Wasser zu halten. Während man also versucht, operativ die dringendsten Feuer zu löschen und Kunden wie Händler nicht zu lange warten zu lassen, arbeitet man gleichzeitig an nachhaltigeren Lösungen. Das alles unter enormen Zeitdruck. Das bedeutet iterativ im laufenden Betrieb viele Änderungen durchzuführen, während gleichzeitig weiterhin viel Output produziert wird – eine enorme Belastung für die Mitarbeitenden.
Und das charakterisiert häufig Wachstums-Transformationen. Natürlich gibt es auch andere Szenarien. Zum Beispiel, dass sich Unternehmensleitung, Vertrieb und Produktionsverantwortliche im Vorfeld abstimmen, ein langfristiges Ziel ausmachen und sich graduell nach oben entwickeln.
Leider ist dieses Szenario aber eher selten anzutreffen. Zum einen, weil plötzliche Wachstumsgelegenheiten keinen Aufschub gestatten. Aber auch, weil Abstimmungen im Unternehmen häufig nicht so optimal verlaufen, dass eine perfekt synchronisierte Wachstumsstory daraus entsteht.
Transformation aufgrund von Wachstum kann also unter sehr hohem Zeitdruck in einem sehr dynamischen, zeitweise vielleicht auch chaotischen Kontext stattfinden, der dem Unternehmen viel abverlangt. Umso wichtiger ist es, dass die Transformation in einem moderierten und begleiteten Rahmen, mit einer flexiblen Struktur und einer transparenten Kommunikation stattfindet.
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